Deutschland vor Privatisierungsschub

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Der deutsche Finanzminister Schäuble will die Privatisierungserlöse 2012 verdoppeln. Als heißester Verkaufskandidat wird die Telekom gehandelt.

Berlin/Wien/Reuters/Weber. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) möchte 2012 doppelt so viele Einnahmen aus Privatisierungen erzielen wie im laufenden Jahr. Dies sieht der Haushaltsentwurf für 2012 vor, der am Mittwoch von den Bundesministern in Berlin offiziell verabschiedet wurde. Demnach will Schäuble 5,1 Mrd. Euro durch die Veräußerung von Staatsbeteiligungen einnehmen, heuer sind Erlöse von 2,6 Mrd. Euro geplant. Im März hatte der Finanzminister noch mit 3,3 Mrd. Euro für 2012 gerechnet, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) am Mittwoch.

Welche Beteiligungen zum Verkauf stehen, verrät das zuständige Finanzministerium nicht. Dazu äußere man sich grundsätzlich nicht, um seine Verhandlungsposition nicht zu schwächen, sagte man der „FAZ“. Potenzielle Käufer könnten versuchen, einen niedrigeren Kaufpreis zu erzielen, wenn sie wüssten, dass der Verkauf im Haushalt eingeplant ist.

Telekom heißer Kandidat

Auf einer internen Liste des Ministeriums finden sich jedoch altbekannte Kandidaten wie die Deutsche Telekom AG, die Deutsche Post AG, die Flughäfen Köln/Bonn und München, die TLG Immobilien GmbH und der Duisburger Hafen. Ein Börsegang der Deutschen Bahn innerhalb der laufenden Legislaturperiode wird im Finanzministerium aber ausgeschlossen, schreibt die Zeitung weiter.

Ihr zufolge drehen sich die Spekulationen vor allem um die TLG – eine 100-Prozent-Tochter des Bundes, die Liegenschaften in Ostdeutschland verwaltet – sowie um die Deutsche Telekom, an der der Bund nach mehreren Anteilsverkäufen und Kapitalerhöhungen noch 31,98 Prozent hält. Der Konzern mit Sitz im rheinischen Bonn gilt deswegen als heiße Option, weil der Verkauf der amerikanischen T-Mobile-Filiale an den US-Konzern AT&T den Kurs des Unternehmens beflügeln dürfte. Bisher stand der schwache Aktienkurs einem Verkauf immer im Weg. Der Vollzug des Geschäfts wird für Frühjahr 2012 erwartet, wenn die amerikanischen Wettbewerbsbehörden ihr Verfahren zur Prüfung des Verkaufs abgeschlossen haben. 39 Mrd. Euro sollen dann in die Telekom fließen. Sollten die Investoren das Papier im Zuge des Deals neu entdecken, könnte die Telekom für Schäuble ein attraktiver Verkaufskandidat werden.

Ein weiterer dicker Brocken im Portfolio des deutschen Staats ist der 25-Prozent-Anteil der Commerzbank. Deutschland hat sich vertraglich verpflichtet, den Anteil bis 31. 12. 2011 zu halten. Insgesamt verfügte der Bund 2010 über etwas mehr als 100 Beteiligungen, davon 30 mit Kapital von mehr als 50.000 Euro und einem Anteil von über 25 Prozent.

Steuersenkungen ab 2013

Im Finanzplan bis 2015, den die deutsche Regierung am Mittwoch gemeinsam mit dem Budgetentwurf für 2012 verabschiedet hat, sind auch Steuersenkungen ab dem (Wahl-)Jahr 2013 vorgesehen. Dass Schäuble den Staatsbesitz dafür verkaufen will, scheint nicht der Fall: Einnahmeausfälle hat der Finanzminister wegen der Steuersenkungen nicht einkalkuliert. Jedoch dämpfte er am Mittwoch die Hoffnung auf eine allzu umfangreiche Kürzung der Abgaben. „Dafür haben wir nicht genügend Spielraum.“ Die endgültige Entscheidung über die Steuersenkungen soll im Herbst fallen. Für 2013 rechnet die Regierung bei Ausgaben von 306 Mrd. Euro mit Steuereinnahmen von 247,4 Mrd. Euro. Die Differenz soll unter anderem aus den Privatisierungen kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2011)

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